2016: Mit der blauen Arrow durch Südengland

Ein Beitrag von Flugkapitän Peter Klant – Mai 2016

Am Montag dem 23. Mai 2016 haben wir meine blaue Piper Arrow aus der Halle in Worms gezogen. Der Plan war eine kombinierte Flug- und Wanderreise nach Südengland zusammen mit meiner Frau.

1. Etappe: Worms – Le Touquet – Sandown

Von Worms aus ging es zunächst im Instrumentenflug durch die Wolken und dann darüber im Sonnenschein nach Le Touquet an der französischen Kanalküste. Dort ein GPS Anflug, die Wolkenuntergrenze lag bei komfortablen 1.000 Fuß. Nach dem Tanken und einer kurzen Picknickpause im menschenleeren Terminalgebäude flogen wir weiter nach Instrumentenflugregeln Richtung England. Außer uns machte sich noch eine britische Crew klar, die in einem historischen SIAI-Marchetti SF-260 Militär-Trainer vor uns Richtung UK abflog. In der Mitte über dem Ärmelkanal konnten wir die englische Küste am Horizont erkennen. Das schlechte Wetter lag hinter uns! Wir flogen nun nach Sicht an der wunderbaren englischen Küste entlang. Viele Orte kannten wir von früher, wir waren mit unseren Kindern dort oft im Sommerurlaub gewesen. Der Flugplatz von Sandown auf der Insel Isle Of Wight hieß uns über Funk willkommen und wir flogen in 2.000 Fuß in das in England übliche Verfahren „Standard Overhead Join“ ein. Das ist ein Manöver, das einem gerade vor der Landung auf einem unbekannten Platz von oben einem guten Überblick auf die Platzverhältnisse ermöglicht. Und Sanddown ist wirklich ein wunderschöner Flugplatz mitten im Grünen. Nach zwei Runden in dem für mich ungewohnten Manöver landeten wir auf der 800 Meter langen, weichen Graspiste. Hier würden wir nicht tanken, der Sprit reicht von Le Touquet für die ganze Strecke bis nach Lands End.

 

2016-05-25 07.15.18

Klar zum Wandern: Mit nur wenig Gepäck am Flugplatz Sanddown, Isle of Wight. Unsere Rucksäcke machten nur einen Teil der Beladung aus. Weitere Nutzlast war das Rettungsfloß, Schwimmwesten, 2 Notsender, Werkzeug, Festmachmaterial, Waschwasser (für die Flugzeugscheiben) und Reserveöl. Der grundüberholte Motor verbrauchte allerdings kaum Öl: in etwa 10 Flugstunden grade mal einen Liter.
Mit unseren Rücksäcken machten wir uns auf den Weg ins 45 Minuten entfernte Shanklin, wo wir – nach der Landung – ein schönes Hotel am Meer gebucht hatten. Von dort machten wir am nächsten Morgen eine lange Küstenwanderung im Sonnenschein, beendet mit einer Busfahrt über die Insel und einer holprigen Bahnfahrt auf Englands kürzester Bahnstrecke – in einem Wagen der Londoner U-Bahn aus den 1940er Jahren.

 

Die „Hobbit“-Welt von Old Town Shanklin: lauter kleine reetgedeckte Häuschen…

 

Traumhafte Gärten mit wunderbaren Blumen fanden wir überall auf unserer Reise durch Südengland

 

Preisgekrönte Beton-Architektur: Küstenbefestigung aus den 1980er Jahren

 

Weiterflug nach Lands End: Ein Blick aus Martinas Cockpitfenster auf die Küste der Isle of Wight

 

„The Needles“ – eine beeindruckende Felsformation an der Südwestecke der Isle of Wight.
Man sieht auch die geschlossene Wolkendecke, unter der wir bis Lands End in Flughöhen bis 3.000 Fuß entlang fliegen…

 

Der Flug von Sandown nach Lands End dauerte 2 Stunden und 3 Minuten. Ich hatte die Strecke so gewählt, dass sie über mehrere spektakuläre „Landmarks“ führte. So flogen wir über „The Needles“, das Hurst Castle im Solent, die Küsten, Strände und Piers von Bournemouth und Sandbanks sowie die Ruine Corfe Castle. An einigen Stellen flog ich recht tief: Über dem Meer war 1.000 Fuß kein Problem, aber in 1.800 Fuß Höhe über dem hügeligen Gelände bei Corfe Castle machte mich der Fluglotse von Bournemouth darauf aufmerksam, dass ich tiefer als seine Minimum Radarhöhe von 2000 Fuß flog. Es tat mir schon gut, dem Engländer sagen zu können, dass wir nicht nur in besten Sichtflugbedingungen flogen, sondern dass ich auch mit dem Gelände gut vertraut war: Hier bin ich schon zweimal vorher tief entlang geflogen. Es ist ein enger Korridor. Höher geht nicht, weil darüber der Anflugsektor von Bournemouth ist, weiter westlich ist militärisches Sperrgebiet, östlich die Kontrollzone von Bournemouth…

Wie auf allen Flügen dieser Reise war Martina nicht nur einfach Passagier, sondern wertvolles Crewmitglied. Obwohl sie selbst keine Pilotin ist, hat sie ein sehr gutes Verständnis von den Abläufen im Cockpit und unterstütze mich regelmäßig u.a. mit wichtigen Hinweisen. So zum Beispiel auf Kurs oder Höhenabweichungen bei den IFR Flügen (ich flog alle Flüge dieser Reise von Hand ohne Autopilot), oder sie fütterte mich mit Verkehrshinweisen. Letzteres machte den Anflug auf Lands End interessant. Ein Großteil Südenglands ist mit AIAAs überzogen, „Areas of Intensive Air Activities“, das sind militärische Trainingsgebiete. Der Durchflug ist gestattet, es aber dringend empfohlen, mit der zuständigen militärischen Radarstelle zu sprechen. Das habe ich natürlich immer gemacht. Im Anflug auf Lands End tauchte dann vor uns ein „Flugobjekt“ auf, bei dem wir nicht sehen konnten, ob es auf uns zu oder in die gleiche Richtung flog. Der Radarlotse identifizierte es als einen Militärhubschrauber auf einem Trainingsflug, der ständig den Kurs änderte, aber in etwa denselben Kurs hatte wie wir. Bald konnten wir die große Maschine aus der Nähe sehen, denn meine Arrow war schneller und wir hatten bald ein wenig Vorsprung. Dann aber wies uns der Tower von Lands End auf eine möglichen Warteschleife über dem Leuchtturm an der Küste hin, um die Linienmaschine von den Scilly Islands vor uns reinzulassen. Das war nun blöd: Kurvte ich links in eine Warteschleife, drehte ich direkt auf den Hubschrauber zu (höher ging nicht wegen der Wolken), drehte ich rechts rum, verlor ich ihn aus den Augen.

Zum Glück waren wir auch schneller als die Propellermaschine von den Scillys und konnten sofort anfliegen. Ein stürmischer Anflug bei bester Sicht. Trotzdem hatte der Towerlotse die Bahnbefeuerung auf 100% geschaltet, damit wir bloß den Platz fänden. Sehr bockig, aber die Arrow ließ sich gut aussteuern. Wir rollten sofort auf einen der drei Kreise, die als Tankpositionen auf das Vorfeld gemalt waren. Auf diese Weise können drei Maschinen auf dem engen Vorfeld gleichzeitig betankt werden. Und schon ging es los: Noch während ich einen Flügeltank befüllte, rollte die Skybus Twinotter von den Scilly Islands an uns vorbei, schwenkte ihren großen, hohen Flügel über den meiner Arrow und parkte zum Tanken neben uns. Die Touristen quollen aus dem Rumpf und ich wartete mit dem Wiederanlassen des Motors, bis der letzte an meinem Propeller vorbeigelaufen war. Besucher parken im Gras und müssen das Vorfeld sofort freimachen.

Die blaue Arrow gut verzurrt geparkt auf dem windigen Geländes des Lands End Airports

 

Der Flugplatz Lands End wurde 1936 von einem Piloten und Geschäftsmann errichtet, er entstand gleichzeitig mit dem Flugplatz auf den 15 Flugminuten entfernten Scilly Islands im Atlantik. Der Gründer wollte die Isolation der Inselbewohner reduzieren, die bis dahin auf beschwerlichen Fährverbindungen angewiesen waren. Auch heute noch sind beide Flugplätze wirtschaftlich voneinander abhängig. Mehrmals täglich fliegen kleine, zweimotorige Maschinen von Lands End hinaus auf den Atlantik zu diesen Inseln. Auf Google Maps könnt Ihr Lands End noch in seiner „historischen“ Konfiguration als reinen Grasflugplatz mit mehreren, sich kreuzenden Landebahnen sehen. Seit einem monatelangen Ausfall der Flugverbindungen im Jahr 2012, weil die Grasbahnen unter Wasser standen, wurden beide Plätze ausgebaut und verfügen nun über sich kreuzende Asphaltbahnen.

Da unser geplantes Hotel ausgebucht war, fand Martina ein sehr schönes Bed & Breakfast in St Ives, einem malerischen Fischerort etwa 40 Taxi-Minuten vom Flugplatz entfernt. Wir buchten alle Unterkünfte erst nach der Landung mit dem iPad über Booking.com. St Ives ist unbedingt sehenswert und bei Touristen sehr beliebt. Es gibt entsprechend viele Galerien, Souvenir-Läden und Restaurants. Dennoch ist der Charme eines Fischerorts weitgehend erhalten. Fische werden auch heute noch von dort aus gefangen. Die meisten Menschen – wie wir – kommen zum Wandern in diese Gegend. Wir trafen sogar einige Leute, die mit Charterflügen von Düsseldorf über Birmingham und Newquay hier her gekommen waren.

Wir hatten – wie auf der ganzen Reise – auch am „Ende des Landes“ unglaubliches Glück mit dem Wetter. Jedes Mal, wenn wir wanderten, schien die Sonne von einem blauen Himmel. An unserem freien Tag in St Ives machten wir eine wunderbare, lange Küstenwanderung. Es ging bergauf und bergab, über Steinplatten und auf unbefestigten Wegen mit grandiosen Ausblicken auf die Küste und das Meer:

 

Blick auf Felsen und Meer: Küste Südwestlich von St Ives

 

Wunderschöne Blumen am Wanderweg

 

  Es geht über Felsen und kleine Bachläufe…

 

Jeder schöne Aufenthalt ist einmal zu Ende. Und so war ich am Abend nach dem Abendessen in unserer Unterkunft mit der weiteren Flugplanung beschäftigt. Noch bevor wir Lands End erreichten, hatten wir die ursprüngliche Flugplanung über den Haufen geworfen: Geplant waren Landungen auf den Scilly Islands, auf Alderney, der kleinsten Kanalinsel mit Flugplatz, sowie in Dinard / Saint Malo in Frankreich.

Die Scilly Islands haben wir gestrichen, weil – für uns vorher unbekannt – in England „Bank Hollidays“ waren, ein verlängertes Wochenende mit allen Unterkünften ausgebucht. Außerdem bestand die Gefahr bei schlechtem Wetter dort (ohne buchbare Unterkunft) zu stranden, denn sowohl der Lands End Airport, als auch der Scilly Airports sind sonntags koordiniert geschlossen.  Zudem meinte der Taxifahrer zu den Inseln: „Gleich schöne Landschaft wie hier, nur zu höheren Preisen…“.

Alderney und Saint Malo wurden durch meine Flugwetter-Vorhersagen über „TopMeteo“ gekippt: Für diese Gegend war für mehrere Tage Nebel vorhergesagt. Zwar erst nach unserer geplanten Ankunft, aber zum einen wollten wir nicht im feuchten Nebel wandern, zum anderen nicht unseren Heimflug auf einer eingenebelten Insel streichen müssen, von der man nicht wegkam.

Martina machte den rettenden Alternativ-Vorschlag. Warum nicht nach Bournemouth fliegen und von dort nach Sandbanks fahren, wo sie schon seit ihrer Schulzeit einmal in dem Hotel ihrer Träume, dem „The Haven Hotel“, übernachten wollte. Ich war erst dagegen, diesen Platz anzufliegen. Als kleiner Verkehrsflughafen war die Landegebühr recht teuer, verbunden mit verpflichtenden und vor allem kostenpflichtigen „Handling“ durch eine Abfertigungsfirma. Am Ende habe ich mich aber doch darauf eingelassen. Zum einen lockte die Aussicht auf das Haven Hotel, zum anderen hatte Bournemouth Instrumenten­landesysteme in beide Landerichtungen. Das wäre schon praktisch, vor allem, weil das Wetter trüber wurde. Außerdem wollte ich mal ausprobieren, wie die Abfertigung auf so einem britischen Flughafen funktioniert. Mit Bournemouth hat Martina einen am Ende fliegerisch anspruchslosen Flughafen vorgeschlagen (sowas fliege ich ja im Dienst dauernd an), aber sie hat damit den richtigen Ort für zwei wunderbare sonnige Tage an der Küste ausgewählt.

Ein Großteil der Abende einer solchen Flugreise geht für die Flugplanung „drauf“. Für den Flug von etwa zwei Stunden Dauer von Lands End nach Bournemouth habe ich mindestens dieselbe Zeit an der Planung gearbeitet. Diese Planung macht mir aber großen Spaß. Vor allem geht es um eine „intelligente“ Planung. Wir wollten ja möglichst viel sehen. Daher wollte ich nach Sicht unter der vorhergesagten niedrigen Wolkendecke entlangfliegen. Die Route musste also um hohes Gelände herum führen, dessen Gipfel in den Wolken stecken würden. Außerdem mussten alle militärischen Sperrgebiete umflogen werden. Da ich bei schwierigem Wetter nach Instrumenten fliegen wollte, und die Route nicht doppelt planen wollte, sollten Sichtflugstrecke und IFR Flugstrecke identisch sein. Daher habe ich nur IFR Wegpunkte verwendet. Auch die IFR Strecke durfte nicht über hohes Gelände gehen, da ich recht tief fliegen musste (IFR in 5.000 Fuß), um unter dem kontrollierten Luftraum zu bleiben. Als letzter Akt vor dem „Licht aus“ gab ich am Ende über RocketRoute einen Flugplan für einen Sichtflug auf. Die Abflugzeit hatte ich schon mittags mit Martina festgelegt und telefonisch an die Handlingfirma in Bournemouth durchgegeben – zusammen mit dem Wunsch nach einem Taxi und einem Tanker…

In der Nacht regnete es in St Ives und ich träumte vom Tiefflug um schwarze Regenschauern unter einer tiefen Wolkenschicht. Als wir aufwachten war der Regen vorbei, aber die Wolken hingen tief über Bucht. Ob das mit dem Sichtflug was werden würde? Bis zum Abflug war es ja noch etwas hin, erst Frühstücken, auschecken und die Taxifahrt… Mal sehen.

 

Am Abflugtag auf dem klatschnassen Lands End Airport: Tiefe Wolken über zwei Britten-Norman Islander Maschinen der „Skybus“ an der Tankstelle…

 

Am Flugplatz zahlte ich die Rechnung für Landung, Parken und die Betankung am Passagierschalter, dann machten wir die Arrow klar für die Weiterreise. Martina war inzwischen perfekt im Verstauen und Verzurren unseres Gepäcks im Flugzeug, während ich die Arrow losband und meine Erdanker aus dem nassen Grasboden zog. Anschließend noch der Outsidecheck und die Kontrolle der Tanks: Trotz reichlich Regen in der Nacht fand sich kein Wasser darin. Die Entscheidung gegen einen Sichtflug traf ich erst, als wir angeschnallt im Cockpit saßen: Der Flugplatz Newquay meldete Wolken in nur 500 Fuß. Bis dort hätten wir in 500 Fuß an der Küste entlang fliegen können, danach aber mindestens 1.500 Fuß Wolkenuntergrenze gebraucht.

Die Änderung von Sichtflug zum Instrumentenflug ist in England – anders als in Deutschland –  unkompliziert und kann im unkontrollierten Luftraum spontan und ohne Freigabe der Flugsicherung erfolgen. Daher informierte ich den Tower über diese Änderung in unserem Flugplan, wartete aber nicht ab, bis die Änderung im Flugplansystem der Flugsicherung „verwurstelt“ worden war. Tatsächlich ließ sich auf der geplanten Strecke kein Instrumentenflug im Flugsicherungs-Computer eingeben. Es erwies sich daher als sehr hilfreich, dass ich in unkontrolliertem Luftraum geplant hatte und darauf nicht angewiesen war.

 

Die beiden Flugstreckenaufzeichnungen im Vergleich: Oben Sichtflug entlang der Küste von Sandown nach Lands End, unten Instrumentenflug von Lands End nach Bournemouth…

 

Wir starteten auf der Bahn 26 in Lands End und verschwanden bald nach dem Abheben in den tiefen Wolken. In 500 Fuß Höhe über dem flachen Gelände drehte ich im Steigflug ein auf den Kurs nach Newquay, unserem ersten Wegpunkt. IFR im unkontrollierten Luftraum zu fliegen heißt nun aber nicht, dass man machen kann, was man will. Immerhin fliegen auch andere so. So zum Beispiel eine Maschine aus Richtung Newquay in 4.000 Fuß Höhe, die bald zum Sinkflug ansetzen wollte, während wir auf Gegenkurs im Steigflug auf 5.000 Fuß waren. Beide Flugzeuge in dichten Wolken. Lands End schlug vor, dass wir erst mal in 3.000 Fuß bleiben sollten, was sicher keine schlechte Idee war. Ich vergewisserte mich über Funk, dass die andere Maschine nicht in den Sinkflug gehen würde und so passierten wir uns ungesehen über dem Funkfeuer von Lands End. Die anderen sanken dann erst südlich davon, als wir das Passieren des Funkfeuers in nördliche Richtung gemeldet hatten. Besser isses. Die Engländer fliegen seit dem Krieg auf dem flachen Land so – nach Instrumenten im unkontrollierten Luftraum – und es ist ein sicherer Flugbetrieb. Viel sicherer als nach zweifelhafter Sicht im Tiefflug unter den Wolken zu fliegen, wie in Deutschland, wo gelegentlich mal einer mit einer Antenne kollidiert. Dennoch ist der Instrumentenflug im unkontrollierten Luftraum – seit neuestem ein EU-weiter Standard – nur noch in Deutschland „aus Sicherheitsgründen verboten“.

Die Wolkendecke war nicht besonders hoch, so dass wir später über den Wolken flogen. In Bournemouth war es inzwischen zwar sonnig, aber immer noch sehr dunstig, so dass wir auf IFR blieben und in Bournemouth auf dem Instrumentenlandesystem reinflogen. Als wir auf das Vorfeld der Handlingfirma rollten, wurden wir bereits erwartet. Ein junger Mann (uns später als Praktikant vorgestellt) winkte uns ein und ich stellte den Motor ab. Noch bevor wir ausgeladen hatten, fuhr schon der Tankwagen vor und ich überwachte die Betankung. Wir hatten noch nicht alles kontrolliert, festgemacht und abgeschlossen, da waren unsere Rucksäcke schon im bereitstehenden Taxi verladen. VIP Service für meine Arrow! Na ja, stand natürlich am Ende alles auf der Rechnung…

 

Martina auf unserem Balkon im The Haven Hotel, Sandbanks. Blick auf die Hafenausfahrt von Poole Harbour.
Am Wochenende fanden mehrere große Segelregatten statt, das kleine rote Motorboot bringt dazu Bojen hinaus in die Bay.

 

In  Sandbanks blieben wir drei Nächte. Wir wollten das schöne Wetter nutzen und uns noch nicht den Tiefdruckgebieten über dem Festland stellen. Eine gute Entscheidung. An jedem der beiden freien Tage unternahmen wir ausgedehnte, lange Küstenwanderungen.

 

The Haven Hotel, Sandbanks. Ein großes klassisches Hotel mit altem Charme und Flügeltüren in die kleinen Badezimmer.
Früher sicher Nobelherberge, heute checken hier auch englische Familienväter in Shorts und Badeschlappen ein. Immer noch teuer, aber ein Traum von einem Hotel…

 

Auf Brownsea Island, einem Naturschutzgebiet, wo wir schon früher mit unseren Kindern waren.

 

„Old Harry Rocks“ auf der Landzunge in der Studland Bay. Während wir in England in der Sonne badeten, wurden in Deutschland viele Ortschaften mit Wassermassen überflutet

 

Am zweiten Tag liefen wir bis zum Bournemouth Pier und zurück und konnten den Strandbetrieb der Engländer an einem der ersten schönen Sommerwochenenden zusehen.

 

Montag der 30. Mai sollte der Tag für den Rückflug nach Worms sein. Wir wollten nicht bis auf den letzten Drücker warten, denn am 3. Juni ging schon mein nächster dienstlicher Flug nach Los Angeles. Das Wetter unterwegs war denkbar schlecht vorhergesagt und es bestand die Chance, dass wir nicht in einem Rutsch durchkommen würden. Der Abflug in  Bournemouth Richtung Le Touquet auf der französischen Seite des Ärmelkanals war für 1030 Uhr Ortszeit geplant. Wir rollten um 1029 Uhr los. Besser als bei der Lufthansa… In Le Touquet wollten wir runter zum Tanken. Die Strecke nach Worms war zu lang für einen Nonstop-Flug von fast vier Stunden, zum einen wegen der erforderlichen IFR Spritreserven und zum anderen wegen meiner „Sextanerblase“ in einem Flugzeug ohne Bordtoilette. Außerdem war Le Touquet auf dem Kontinent, ein guter Stopp, um das Wetter noch mal vor dem Flug über Frankreich zu checken. Notfalls würde ich dort die Arrow stehen lassen und mit der Bahn nach Hause fahren, um rechtzeitig meinen Flugdienst antreten zu können.

Der IFR Flug nach Le Touquet in 5.000 Fuß Höhe war einfach in der Planung und in der Durchführung. Er würde nur anderthalb Stunden dauern und begann in bestem Wetter. Erst über dem Ärmelkanal sollte der „Dreck“ beginnen. Für unsere Landezeit waren 700 Fuß Wolkenuntergrenze vorhergesagt, kein Problem für ein ILS (Instrumentenlandesystem) auf die Bahn 13. Als Ausweichflughafen hatte ich Albert Bray weiter im Inland ausgewählt, ebenfalls mit Sprit und Instrumentenlandesystem verfügbar, zudem noch näher an zu Hause als Le Touquet. Dort war die Wolkenuntergrenze mit 1.000 Fuß vorhergesagt. Und für das gute Gefühl hatte ich zur Sicherheit Shoreham in England als zweiten Ausweichflugplatz vorgesehen. Dort war ich mit meinem Bruder Christoph schon gewesen, der Platz war unkompliziert und hatte bestes Wetter. Mit dem Sprit an Bord hätten wir auch „all the way“ bis Bournemouth zurückfliegen können.

Schon im Anflug half das neue Iridium-Satelliten-Modem bei einer ersten Entscheidung: Auf dem iPad konnte ich hinter Le Touquet eine Gewitterfont ausmachen, die den Weg nach Albert Bray versperrte. Der Ausweichflugplatz für mich war ab diesem Moment Shoreham in England.

 

„Flugschreiber-Aufzeichnung“ unseres „low visibility circling“ Anfluges über dem Gelände des Flugplatzes Le Touquet, Frankreich

 

Im Anflug auf Le Touquet von See her kommend, in dichte Wolken gehüllt, konnte Martina zum ersten Mal im Cockpit eine mir vertraute, aber immer wieder unschöne Entwicklung verfolgen: Trotz aller Vorbereitung spitzt sich plötzlich eine Situation zu, Zeitdruck baut sich auf und es läuft nicht so wie geplant. Der Wind hatte am Platz auf Nord gedreht und war aufgefrischt. Ein lockeres Landen geradeaus auf dem ILS war wegen des starken Rückenwinds nicht mehr möglich. So war die für das ILS bequeme Wolkenuntergrenze von 700 Fuß mit einem Mal dicht am Minimum für ein „low visibility circling“, also für eine Platzrunde nach Sicht auf die Bahn 31 (ohne ILS).  Zudem klappte die Koordination zwischen „Lille Approach“ und dem Tower in Le Touquet nicht auf Anhieb. Der Nordwind schob uns unerbittlich an den Platz und wir hatten immer noch keinen Sinkflug- und Anflugfreigabe. Als die endlich kam, blieb mir nur noch die große „Speedbrake“, um den Sinkflug zu beschleunigen: das Fahrwerk. Bei der Arrow kann man es bis zu einer Geschwindigkeit von 150 MPH (Miles Per Hour) ausfahren. Das bremst wie ein Scheunentor und ermöglicht einen steilen Abstieg. Martina war wie immer eine gute Copilotin und wies mich in meinem raschen Sinkflug auf die hohe Geschwindigkeit hin. Außerdem hat sie zu einer erfolgreichen Landung wesentlich beigetragen. Denn sie spähte immer wieder über die Seite aus dem Cockpit raus und versuchte Bodensicht auszumachen. Währenddessen flog ich die Arrow von Hand auf dem ILS herunter und dachte darüber nach, ob ich einen zweiten Anflug machen würde, sollte ich am Minimum (570 Fuß) nichts sehen. Ich entschied es wie bei der Lufthansa zu machen: Es würde einen zweiten Anflug geben, aber danach keinen weiteren, denn mit einer Wetterbesserung  war nicht zu rechnen.

Kurz vor Erreichen der Minimumhöhe rief Martina, sie würde rechts Land unter uns sehen. Und tatsächlich sah ich rechts ganz kurz eine Sandbank unter uns, da war sie auch schon wieder weg… Genau am Minimum tauchte dann doch noch die Landebahn vor uns auf und ich konnte nach Sicht die Platzrunde fliegen. Wir landeten auf nasser Bahn mit etwa 15 Knoten Seitenwind, nahe am Limit für die Arrow.

Wir ließen die Maschine volltanken, und beschlossen dann wegen der Gewitterfront im Osten den Weiterflug auf den nächsten Morgen zu verschieben…

 

Die fest verzurrte Arrow trotzt in der Ferne einsam dem Sturm auf dem Vorfeld. Auf dem Flugplatz Le Touquet gab es am Montag den 30. Mai nur zwei Flugbewegungen: Unsere Landung und die eines Engländers, der gestartet war, sich dann aber wegen des unmöglichen Wetters zu einer sofortigen Rückkehr entschieden hatte.

 

In Le Touquet liefen wir mit unseren Rucksäcken in etwa 40 Minuten in die Stadt. Ein sehr schöner Spaziergang durch ein grünes Villenviertel. Das Bristol Hotel kannte ich bereits. Hier hatte ich 2012 schon einmal übernachtet. Am späten Nachmittag – nach einem schönen Essen in einem französischen Lokal – hatte die Front Le Touquet endgültig erreicht und es begann zu regnen. Wir machten es uns im Hotel gemütlich. In der Nacht hörte ich den Regen prasseln und das Grollen der See von der Küste her. Am Morgen brachte uns ein Taxi zum Flughafen. In leichtem Regen, aber starkem Sturm beluden wir die Arrow. Auf dem Radarbild konnte man sehen, dass die Front weitestgehend über Le Touquet hinweg gezogen war. Das Wetter in Mannheim, wohin ich den IFR Flug geplant hatte, war bereits sehr gut, aber über den Benelux-Ländern waren noch wie über Frankreich dichte und tiefe Wolken gemeldet. Ein Abwarten in Le Touquet würde zwar bessere Abflugbedingungen bringen, aber auch das Risiko neuer Gewitterbildungen, die für den Nachmittag vorhergesagt waren. Daher wollte ich sofort los.

Für Martina musste die Situation eigentlich beunruhigend wirken: Nach dem Anlassen des Motors saßen wir in voller Seenotausrüstung (der Abflug ging über Wasser) in dem engen Arrow-Cockpit. Schwimmweste angelegt, Notsender an jeder Weste befestigt. Der Sturm rappelte an der Maschine und dazu waren in der feuchten Luft im Nu alle Scheiben ringsum beschlagen. Im Leerlauf brachte der Motor nicht genügend Warmluft innen auf die Frontscheiben, um sie klar zu halten. Durch den Wind hörte ich den Engländer anlassen, der ebenfalls wegfliegen wollte. Martina blieb aber ganz locker und entspannt und half ein wenig, indem sie die Scheiben auf ihrer Seite klarwischte. Ich hatte noch eine Weile mit dem Setup der Computer und Displays zu tun: Auf dem iPhone lief die Software Xavion, die auch in den Wolken in größerer Höhe in Echtzeit einen Flugweg für eine Landung bei Motorstörung berechnen konnte. Auf dem iPad hatte ich Flugkarte eingeblendet. Auf dem Bord-GPS musste noch die Flugstrecke eingegeben werden. Überall im Cockpit hingen die Kabel herum: vier Ladekabel für diverse elektronische Geräte, zwei Kabel für die beiden Kopfhörer. Es sah aus wie in einer Elektronikwerkstatt. Trotzdem, das war der Raum meiner Träume, mein Flugzeugcockpit, in dem ich mich sicher und wie zu Hause fühlte.

Als wir von der Parkposition losrollten, hob der Engländer gerade ab. Jetzt waren wir die einzige Maschine auf dem ansonsten verlassenen Flugplatz. Nachdem ich die IFR-Freigabe vom Tower notiert hatte, schwebte plötzlich ein mögliches Startverbot in der Luft: Der Flughafen hat ein Seitenwind-Limit bei nasser Bahn von 20 Knoten, dass nun bei sich ständig drehendem Nordwind ab und zu überschritten wurde. Dazu ist die Arrow nur bis 17 Knoten Seitenwind zugelassen. Ärgerlich. Irgendwann ist der Wind für den Tower in Limits, und er fragt mich, ob ich so starten könne. Mit 15 Knoten Seitenwind rollten wir auf der Bahn los. Ich ließ die Nase unten und hob sie erst 10 Knoten schneller als normal ab, dadurch lief die Arrow wie auf Schienen, denn das Bugfahrwerk ist anders als bei anderen kleinen Flugzeugen fest mit dem Seitenruder verbunden. Einmal abgehoben brauchten wir fast 15 Grad Vorhaltewinkel, ich kontrollierte noch einmal kurz unseren Kurs über Grund über der Bahnmittellinie, dann waren wir in den Wolken.

Der Abflug war für mich nicht schwierig gewesen. Alle schwierigen Entscheidungen hatte ich bereits vorher am Boden getroffen. Nach Instrumenten abzufliegen ist seit über 35 Jahren mein tägliches Brot und Routine. Dass im Gegensatz zum A380 die Arrow nur einen Motor hat, weiß die Arrow zum Glück nicht. Ebenso wenig, wie der Motor weiß, dass wir direkt nach dem Start in die Wolken einfliegen. Jedenfalls ist der Motor sehr zuverlässig, vor allem seit der kompletten Grundüberholung 2013. Nach 20 Minuten haben wir unsere Reiseflughöhe von 9.000 Fuß erreicht und fliegen über einem weiten Meer von Wolken. Wunderschön! Es geht Richtung Brüssel, dann nach Hahn und endlich finden wir aufgelockerte Bewölkung im Rhein-Main Gebiet vor. Südlich von Worms beenden wir den Instrumentenflug, melden uns bei dem Fluglotsen ab und sind fünf Minuten später unten in Worms gelandet. Bei Sonnenschein und harmlosen Schäfchenwolken.

 

Die Überbleibsel der Mai-Unwetter in Deutschland nach unserer Landung in Worms: Überflutete Wiesen und Seen auf dem Vorfeld.

 

Die blaue Arrow hat und zuverlässig durch Sonne, Wind, Regen und Wolken transportiert und uns einen altersgerechten Abenteuerurlaub ermöglicht…