Gewitteranflug auf Singapore

Mal wieder ein interessanter Anflug auf Singapore mit dem Airbus A380.

Unsere geplante Flugzeit von Frankfurt nach Singapore war 11 Stunden und 48 Minuten gewesen. Aber schon mehr als drei Stunden vor der Landung wurde klar, dass eine Verlängerung möglich war. Die Wettermeldungen waren schlecht. Der Flughafen Changi meldete Gewitter mit starkem Regen über dem Platz. Die Temperatur war 28° Celsius und der Wind wusste nicht so richtig, aus welcher Richtung er wehen sollte. In Folge dessen wurde die Landerichtung mehrmals gewechselt. Schön zu sehen war das Bemühen der Meteorologen, die Gewitter „weg zu vorhersagen“. In jeder ATIS Meldung hieß es, die Gewitter würden in 30 Minuten vorbei sein. Wie gesagt: In jeder Wettermeldung, die nun alle 15 Minuten neu herausgegeben wurden. Tatsächlich hielt sich das Gewittergebiet mehr als vier Stunden lang – mehr oder weniger intensiv – über Singapore auf.

 

Im Sonnenschein über der Küste von Myanmar, etwa zwei Stunden vor der Landung in Singapore…

 

Zur selben Zeit: Wettermeldung aus Singapore. Gewitter mit Starkregen, 700 Meter Sichtweite auf der Landebahn. Die Temperatur war schon runter von 28°C auf 24°C mit nahezu 100% Luftfeuchtigkeit. Auf der zweiten Seite dieser Meldung wurde vor Blitzen über dem Flughafen gewarnt…

 

Für Anflüge auf Singapore ist es hilfreich, wenn man regelmäßig dorthin fliegt. Dann kann man die zum Teil irreführenden Wettermeldungen und Vorhersagen richtig einordnen – und entsprechend tanken. So habe ich viermal hintereinander erlebt, dass für unsere Landezeit gutes Wetter vorhergesagt war. Diese Vorhersagen waren schon daher unglaubwürdig, weil auf den aktuellen Satellitenbildern weiträumige, hochaufragende Wolkenformationen in der Gegend zu sehen waren. Die Significant Weather Chart, also die Wetterkarte mit der Vorhersage für das großräumige Wetter, zeigte zur Landezeit vereinzelte Gewitter bis 45.000 Fuß Höhe… Bei jedem dieser vier Flüge standen später Gewitter im Endanflug.

Diesmal jedoch waren die Gewitter – sozusagen für Blinde – schon in der Vorhersage für den Platz richtig aufgeführt. Wir hatten daher für eine Stunde Extra Fuel getankt. Das bedeutet für den A380 ganze 12 Tonnen… plus 6 Tonnen für den Mehrverbrauch an Treibstoff, um die 12 Tonnen nach Asien zu schleppen. Zusätzlich hatten wir noch die gesetzlich vorgeschriebene Reserve von etwa 4 Tonnen an Bord (Contingency Fuel, für unvorhergesehenen Mehrverbrauch).

Wir kamen also mit reichlichen Reserven in Singapore an. Daher konnten wir den zu erwarteten Verzögerungen entspannt entgegen sehen. Der geplante Ausweichflughafen für Singapore war Kuala Lumpur (KUL) in Malaysia, etwa 40 Flugminuten von Singapore entfernt. Unser Flugweg führte in Funkreichweite vorbei, so dass wir die neueste ATIS abhören konnten. Gutes Wetter, prima. Außerdem schien nach dem Wetterradar der Flugweg dorthin weitgehend frei von Gewittern zu sein. Nur Singapore war von Gewittern umstellt. Der Copilot programmierte den Flugweg von Singapore nach Kuala Lumpur ins FMS ein. So konnten wir – falls eine Landung in Singapore nicht möglich was – schon mal sehen, ob dieser Flugweg bei der Gewitterlage überhaupt fliegbar sein würde. Es würde gehen, mit ein wenig Slalom. Wir würden also für den Flug zum Ausweichflughafen mehr Treibstoff benötigen als geplant.

 

Flugweg im Anflug auf Singapore. Weil die Warteschleife voll war, wurden wir zuerst – wie auf einer Perlenkette aufgereiht – hinter den anderen Fliegern in einem großen Bogen zwischen den Gewittern durchgeführt…

 

Im Anflug wurden wir zuerst in 39.000 Fuß festgehalten. Da ein direkter Anflug offenbar nicht möglich war, reduzierte ich auf die Mindestgeschwindigkeit. In dutzenden kleinen Schritten erhielten wir die Sinkflugfreigaben. Gleichzeitig wurden wir im Gänsemarsch hinter einer ganzen Kette von anderen Flugzeugen in einem großen Bogen Richtung Endanflug geführt.  Wir konnten die anderen Flugzeuge auf unserem Kollisionswarngerät sehen, und so sehen, welchen Flugweg auch wir zu erwarten hätten. Dann hörten wir im Funk, wie die Maschinen vor uns die Anweisungen für ihre Warteschleifen bekamen und stellten uns schon mal darauf ein, dass es bei uns nicht anders sein würde. Als Verzögerung wurde 25 Minuten angesagt, es sollten am Ende 35 Minuten werden.

 

Im Anflug, lange vor Einflug in die Warteschleife. Man sieht das Wetterradarbild und die anderen Flugzeuge, die als kleine, weiße Rauten dargestellt sind. Die weißen Zahlen unter den Rauten sind die relativen Höhen. So bedeutet -80, dass das Flugzeug 8.000 Fuß unter uns ist.

 

In der Warteschleife wurde es dann noch mal spannend. Bis hierhin waren wir in klarer Luft geflogen, aber vor uns versperrten dicke, rote Radarechos den Weg auf den Endanflug. Auf Vorschlag der beiden Copiloten (unser dritter Pilot, ein Senior First Officer, saß auf dem Jumpseat), machte ich bei jeder Kurve in der Warteschleife ein Foto vom Radarbild, damit wir die Veränderung sehen konnten. Und tatsächlich änderte sich das Radarbild in wenigen Minuten. Was in der ersten Runde noch gelb war, war in der zweiten Runde feuerrot, durchsetzt mit Magenta (Violett), der Farbe für Turbulenz. Normalerweise fliegen wir nicht durch rote Echos. Hier in Singapore ist es aber so, dass man oft keine andere Wahl hat. Entweder durchfliegen, oder zum Ausweichflugplatz. Anders als europäische Frontalgewitter sind tropische Gewitter oder besser Schauer (wie in diesem Fall) oft stationär und kommen kaum von der Stelle. Abwarten bringt hier nichts.

Zum Glück konnten wir den Wolkenturm im Endanflug kurz visuell durch die Cockpitscheiben sehen, er war nur etwa 15.000 Fuß hoch. Ein Durchflug würde also lediglich ordendlich Regen mit sich bringen (der Regen macht die roten Echos) und etwas Turbulenz. Ein Anruf beim Purser bestätigte, dass hinten alle angeschnallt waren. Nun waren wir an der Reihe mit dem Anflug…

 

Eine der letzten Kurven im Anflug. Nun schon zwischen den Wolkenschichten…

 

In 2.500 Fuß flogen wir mit Klappen 1 in die Wolken ein. Ich machte noch mal darauf aufmerksam, dass es keine Windshear Warnung geben würde, egal wie sich die Situation entwickeln würde (Das Warnsystem für Windscherungen ist erst unter 2.000 Fuß Höhe aktiv). Ein einziges Mal hatten wir bei einem Anflug in Singapore unter ähnlichen Bedingungen ein Abwindfeld durchflogen. Die automatische Schubregelung musste damals kurzeitig 90% Schub geben, um die Fahrt zu halten. Diesmal blieb es bei starkem Regen.

 

Letztes Foto vor dem Endanflug. Durch die roten Echos oben auf der Karte würden wir heute durchfliegen…

 

Als wir durch den Schauer durch waren, kam im Regen der Flugplatz in Sicht. Da waren die Wetterbedingungen inzwischen viel besser. Wir landeten mit vollem Umkehrschub auf der nassen Bahn 20R. Die Bahn war zwar nur 3200 Meter lang, aber wir waren mit 374 Tonnen fast 20 Tonnen unter dem maximalen Landegewicht. Auf dem Weg zur Parkposition rollten wir an einer langen Schlange von Flugzeugen vorbei, die an der Bahn 20C auf den Start warteten. Ein neuer Schauer zog rein, und es begann wieder heftiger zu regnen. Zu allem Überfluss hatte der Wind gedreht. So musste die ganze Schlange wenden und zum anderen Ende der Bahn rollen. Wieder ein Runway Change… Das würde viel Arbeit und Verzögerung für die Kollegen in den Cockpits geben. Für uns aber war der Flug vorbei. Als ich die Triebwerke abstellte, war ich mit meiner Crew von 24 Personen seit 14 Stunden und 44 Minuten im Dienst. Feierabend!

 

Im Crewbus auf dem Weg ins Hotel…